Seit fünf Jahren versorgt der von Schauspielerin Uschi Glas gegründete Verein „brotZeit“ sozial benachteiligte Schüler mit Frühstück.
Serviert wird es von Senioren. Etwa am Sozialpädagogischen Förderzentrum in Poing.
Kurz vor 7 Uhr: Cäzillia Lechner (70), ihr Mann Anton (75) und Ingrid Ketterl (63) holen Marmelade, Toast, Butter, Müsli und vor allem Wurst aus dem Kühlschrank. Einmal die Woche ist Wursttag in der Seerosenschule, dem Sonderpädagogischen Förderzentrum in Poing. Dann gibt’s halt auch Wiener und die „Sauguade“, wie die Schüler sie nennen: Lyoner-Aufschnitt.
Die beiden Lechners und Ketterl sind eines von zwei Teams, die jeden Morgen für rund 40 Kinder der Seerosenschule Frühstück zubereiten und ausgeben. Und zwar im Wechsel mit dem zweiten Team (Stefanie Blieninger, Helga Nikolin und Irene van der Smithen). Eine Regel betont Ingrid Ketterl nachdrücklich: „Lehrer dürfen hier nicht frühstücken.“
Rund 220 Kinder besuchen die Seerosenschule, die meisten von ihnen kommen morgens mit Frühstück im Bauch zum Unterricht. Es gibt aber auch viele, deren Eltern es sich finanziell oder zeitlich nicht leisten können, ihrem Kind jeden Tag ein Frühstück zuzubereiten. Für diese Fälle hat Schauspielerin Uschi Glas zusammen mit ihrem Mann Dieter Hermann und dem Münchner Rechtsanwalt Harald Mosler 2009 den Verein „brotZeit“ gegründet. Ziel: Jedes bedürftige Kind soll die Möglichkeit haben zu frühstücken. Geld und Ware stammen aus Spenden. Mittlerweile ist der Verein in sieben so genannte Förderregionen aktiv. Allein im Raum München werden 27 Schulen betreut, darunter die Seerosenschule. Insgesamt sind es knapp 120 Grundschulen und Förderzentren.
In den Förderregionen sind laut „brotZeit“ über 600 Senioren aktiv, im vergangenen Jahr seien mehr als eine halbe Million Essen ausgegeben worden. Die Anzahl der Frühstückskinder wird jeden Tag in einer Liste notiert. Ketterl und die Lechners haben einen guten Grund, regelmäßig früh aufzustehen: „Weil es uns Spaß macht, und weil wir Enkelkinder hier haben.“
Schulleiter Jörn Bülck ist froh über das Engagement: „Das ist ein Segen, morgens geht es vor dem Unterricht viel ruhiger zu. Früher haben die Kinder hier nur rumgetobt.“ Heute sitzen diejenigen, die teilweise schon um 7 Uhr kommen, ruhig an den Tischen, essen Marmeladenbrot, „Sauguade“ oder Müsli, trinken Kaba, Milch oder Tee – und unterhalten sich.
Vor gut zwei Jahren hatte sich die Seerosenschule beim Verein für das Frühstücks-Projekt beworben – und wurde aufgenommen. Seitdem gibt’s hier „brotZeit“. Einige Kinder nutzen die Gelegenheit, um mit den älteren Herrschaften auf der anderen Seite der Theke zu ratschen. Auch mal über Privates. Immerhin kennt man sich mittlerweile gut. „Für manche sind wir wie ein Oma- oder Opa-Ersatz“, sagt Ingrid Ketterl. Fragt ein Schüler: „Gibt’s heute Nutella?“, antwortet Anton Lechner freundlich, aber bestimmt auf Bairisch: „Naa, heit hamma Marmelade.“ Akzeptiert, da gibt’s kein Nachmaulen.
Wenn um 8 Uhr der Unterricht beginnt, räumen die „brotZeit“-Helfer auf. „Dann geht’s nach Hause zur Gartenarbeit“, sagt Anton Lechner und schmunzelt. Weil er ja heute früher aufgestanden ist, hat er noch mehr Zeit für sein liebstes Hobby.
Quelle: merkur-online.de vom 12.05.2014
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